In meinem Kopf geistert seit ein paar Tagen, das Bedürfnis nach einem ersten Resümee... . Wir haben die Eingewöhnung inzwischen hinter uns und es ist "Alltag" eingekehrt. Unerwarteter Weise ähnelt der schon sehr demjenigen in Berlin. Uni verläuft im großen und ganzen bisher alles ähnlich wie zu Hause. Seminare auswählen und anschauen, sich über die Dozenten und Kommilitonen freuen bzw. ärgern. Literatur zusammen suchen, sich die Prüfungstleistungen zu Gemüte führen, dann entscheiden, das mans doch lieber lässt und schließlich die wöchentliche Vorbereitung: Texte lesen und zusammenfassen, Lückentexte ausfüllen, Referate ausarbeiten, Essays schreiben. Auch der Kita-Alltag entspricht weitesgehend demjenigen in Berlin. Zugebenermaßen sind die Wege etwas länger, die Sprache und der Umgang ein bisschen anders. Dennoch sind die Gespräche eigentlich dieselben. Wie war Karl heut so drauf, schläft und isst er gut? Wie kommt er mit der Sprache klar?
In einem Gespräche mit einer Freundin fasste sie es so zusammen: unser Leben hier, erscheint ihr mehr wie eine Variante. Zunächst schien mir das sehr passend. Aber es trifft den Punkt doch nicht ganz.
Sicher, es ist viel anstrengender alles allein zu deichseln. Das brauche ich wohl nicht im Detail zu erwähnen. Allein der Gedanke, dass Karl wirklich nur mich "hat", hat mich manchmal schier verrückt gemacht. Was wäre wenn ich totkrank im Bett liege und ihn nichtmal mehr zur Kita schaffen kann? Inzwischen hat sich diese Angst gelegt. Irgendwie geht das alles. War schon krank und es ging trotzdem!
Warum setze ich meinen Wunsch durch, obwohl ich unsere Familie dadurch trennen muss? Karl fragt sooft nach seinem Papa und er fehlt ihm merklich. Karl startet straight in die allseits bekannte Trotzphase, in der klare Worte vom Vater Wunder bewirken können. Und das ist nur eine Seite der Medaille.
Dann die viele Schlepperei: Karl, Windeln, Einkäufe, manchmal sogar zusätzlich sein kleines Motorrad, was ich ihm eigentlich besorgt hab, damit wir schneller zu Fuß sind.
Nicht zu vergessen sind die Reaktionen meiner Kommilitonen, wenn ich Ihnen erzähle, dass ich ein Kind habe. (Darüber würd ich übrigens gern mal ne Doku drehen. Diese waren hier schon so einige Male filmreif.) Mein Favorit bisher: "Oh nein, ist der süß",sagte eine Kommilitonin aus dem Sprachkurs, die ich im International Office traf, als ich dort mit Karl auftauchte um einige Formalia zu erledigen. Ich grinste und stellte ihn vor. Darauf sie: "Ist das dein Bruder?" Ich natürlich:"Nee, mein Sohn." Woraufhin sie sich sichtlich geschockt und einfach wortlos wegdrehte.
Ich bin unflexibel und darauf angewiesen, dass man sich nach uns richtet. Nein,wir können nicht Samstag-Abend um 21.30 in einer Kneipe mit euch Geburtstag feiern, weil Karl da schläft und ich denke, dass die Raucherei ihm auch nicht so gut tut. Sorry, ich habe leider nur bis 17.00 zeit Kaffee zu trinken, weil ich dann mein Kind von der Kita abholen muss. Und eigentlich kann ich am Wochenende auch nur vormittags oder nachmittags für ein paar Stunden, weil mein Sohn mittags schläft. Und abends - tja, da müsst ihr zu mir kommen. Aber ganz ehrlich - welcher Student anfang 20 hat da schon Bock drauf, wenn er in irgendwelchen abgefahren Kneipen und Clubs super interessante Leute kennenlernen kann? Da bin ich mit ein paar Ausnahmen dann raus. Das alles soll kein Vorwurf einer frustrierten 28jährigen Mutter sein, die lieber mit anderen Erasmus-Studenten auf Parties rumhoppelt, eher ein Statement zu den unterschiedlichen Rationalitäten, die da aufeinander treffen.
Auch wenn man immer sagt, dass man mit Kind schnell Anschluss findet, trifft das für mich nur bedingt zu. Auf Spielplätzen kommt man einfach ins Gespräch. Dennoch ist da definitiv ne Sprachbarriere und wenig Geduld auf der anderen Seite, wie mir scheint. Und meistens haben "Locals" auch ihre festen Kreis an Leuten und brauchen nicht noch eine Mama, die eh nach 10 Monaten wieder verschwunden ist. Auch in Karls Kita kommt man schwer "an die Eltern ran". Die meisten arbeiten viel und scheinen wenig Energie dafür aufbringen zu können/ wollen, neue Eltern kennen zu lernen. Und ich kann das ja verstehen. Mir gehts selbst manchmal so, dass ich um 17.00 einfach keine Lust mehr auf Small-Talk habe. Und ich arbeite nicht für einen Multi.
Das alles zeigt mir, dass mein Leben hier nicht nur eine Variante ist. Es ist mehr als einfach nur in einem anderen Land zu studieren und eine neue Sprache zu lernen.
Ok, ich steck grad in einem "Integrations-Tief". Gott sei Dank, hab ich so viel um die Ohren, dass ich mir da gar nicht viele Gedanken drum machen kann. Und nach der Anfangs-Euphorie fühlt sich diese Phase auch eher wie eine Ernüchterung an. Es ist ja nicht so, dass ich hier niemanden kenne und mich alle dissen. Ganz im Gegenteil. Die wenigen Kontakte, die ich hab, schätze ich sehr ;)
Nicht zuletzt durch diese Erfahrungen und Erkenntnisse, ist die Frage einmal mehr berechtigt, was das eigentlich alles hier soll...
tja...ich muss, ehrlich gesagt, schmunzeln, wenn ich darüber nachdenke. Immer dann wenn ich dann diesen Punkt komme, halte ich mir vor Augen, was wir hier tatsächlich schon so alles gerissen haben. Es wäre schier absurd, das alles in Frage zu stellen. Und jetzt lerne ich zwangsläufig die kleinen Fortschritte wirklich zu schätzen. Mein Tschechisch wird immerhin besser, wenn auch nur langsam. Gut, an der Uni schaffe ich wirklich nicht viel. Das frustriert mich schon sehr. Dennoch habe ich Kurse belegt. Auch das lag für mich bei der Planung unseres Aufenthalts außerhalb meiner Vorstellungskraft. Außerdem bin ich soo stolz auf Karl. Inzwischen versteht er tatsächlich, wenn jemand mit ihm auf tschechisch redet als hätte er nie was anderes gehört. Nicht zuletzt ist ein wirkliches Geschenk, dass wir das hier machen können. Wie vielen Menschen begegnet man im Alltag, denen solchen Chancen aus den unterschiedlichsten Gründen verwehrt bleiben?
Trotz aller Herausforderungen macht es mich also glücklich, dass ich das ganze hier überhaupt realisieren kann. Und damit meine ich weniger meine eigenen Fähigkeiten, sondern vielmehr die äußeren Umstände ;) Und vor allem die Tatsache, dass Karl hier so gut klarkommt, ermutigt mich, über meinen eigenen Unzulänglichkeiten zu stehen und weiter zu machen! Und dann lautet die Antwort auf die Frage "warum wir eigentlich hier sind" in erste Linie: "weil wir hier sein können und wollen".... Und an dieser Stelle will ich mal danke sagen, für den positiven Zuspruch von euch allen!
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